E-Bike-Tuning und Software-Limits: Warum E-Bikes künstlich ausgebremst werden
Warum sind E-Bikes auf 25 km/h limitiert? Dieser Beitrag erklärt Software-Limits, Tuning-Risiken und rechtliche Grenzen. Jetzt alles zum Tuning-Dilemma lesen.

Wenn Technik mehr könnte, als sie darf
Die Leistung heutiger E-Bike-Motoren ist beeindruckend – zumindest auf dem Prüfstand. In der Praxis aber fällt vielen Fahrern auf: Die Unterstützung endet abrupt bei exakt 25 km/h. Nicht weil der Motor nicht mehr könnte, sondern weil er per Software limitiert ist. Was nach technischer Begrenzung aussieht, ist in Wahrheit ein komplexes Zusammenspiel aus gesetzlicher Vorschrift, Herstellerschutz und Marktstrategie.
Warum drosseln Hersteller die Leistung künstlich? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen zwingen sie dazu? Und was passiert, wenn Fahrer diese Grenzen aufheben wollen – mit Tuning-Chips oder Software-Hacks?
Dieser Beitrag beleuchtet das Spannungsfeld zwischen technischem Potenzial und gesetzlichen Limits – und erklärt, warum sich das Tuning-Dilemma nicht so einfach auflösen lässt.
Warum bei 25 km/h Schluss ist
Nach europäischem Recht (EN 15194) gilt ein Pedelec nur dann als Fahrrad, wenn:
-
die Motorunterstützung maximal 250 Watt beträgt
-
sich die Unterstützung bei 25 km/h automatisch abschaltet
-
das Fahrzeug keine Anfahrhilfe über 6 km/h besitzt
Diese Definition ist entscheidend: Nur unter diesen Voraussetzungen darf ein E-Bike ohne Helm-, Versicherungs- und Führerscheinpflicht betrieben werden. Damit soll der motorisierte Radverkehr in das klassische Verkehrsbild integriert werden – ohne neue Führerscheinregelungen oder Zulassungspflichten.
Hersteller sind deshalb gesetzlich verpflichtet, die Software ihrer E-Bikes so zu programmieren, dass der Motor bei exakt 25 km/h die Unterstützung kappt – auch wenn Motor und Akku technisch zu mehr in der Lage wären.
Technik unter der Haube – wie die Drosselung funktioniert
Die Begrenzung erfolgt bei fast allen modernen Antrieben softwareseitig. Sensoren für Geschwindigkeit, Trittfrequenz und Motorleistung werden in Echtzeit ausgewertet. Sobald das Rad 25 km/h erreicht, schaltet der Controller die Unterstützung sanft oder abrupt ab.
Einige Hersteller wie Bosch, Shimano oder Brose setzen auf:
-
präzise Geschwindigkeitssensoren am Hinterrad
-
Motorcontroller mit geschlossenem System (keine externe Programmierung möglich)
-
Firmware mit regelmäßigen Updates, die Tuning-Versuche erkennen und blockieren
Technisch gesehen könnte fast jeder dieser Motoren 30–40 km/h leisten – mit entsprechend höherem Energieverbrauch. Die Begrenzung ist also nicht technischer, sondern rein rechtlicher Natur.
S-Pedelecs: Mehr Leistung, mehr Pflichten
Wer schneller fahren will, muss zu einem S-Pedelec greifen. Diese bieten:
-
Unterstützung bis 45 km/h
-
oft 350–500 Watt Nennleistung
-
stärkere Akkus und optimierte Antriebe
Aber: Sie gelten als Kleinkraftrad. Das bedeutet:
-
Helmpflicht
-
Versicherungskennzeichen
-
Führerschein (Klasse AM oder höher)
-
kein Zugang zu Radwegen
Gerade Letzteres macht S-Pedelecs im Alltag wenig attraktiv – denn die gesetzliche Trennung vom Radverkehr führt oft zu rechtlichen Grauzonen und Nutzungshindernissen.
Tuning-Chips und Software-Hacks – verboten, aber verbreitet
Trotz klarer Gesetzeslage boomen Tuning-Lösungen. Im Internet finden sich hunderte Anbieter, die Plug-and-Play-Module versprechen, mit denen sich die 25 km/h-Grenze aufheben oder verschieben lässt.
Typische Methoden:
-
Manipulation des Geschwindigkeitssignals (z. B. Halbierung der Radumdrehung)
-
Modifikation der Controller-Firmware
-
Apps, die Debug-Modi der Motorsteuerung freischalten
Was viele unterschätzen: Wer sein E-Bike auf diese Weise manipuliert, verliert:
-
den Versicherungsschutz
-
die Betriebserlaubnis
-
und macht sich ggf. strafbar, wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen genutzt wird
Einige Hersteller wie Bosch erkennen Tuning-Versuche automatisch und schalten das System in einen Fehlercode – ein Werkstattbesuch ist dann erforderlich.
Warum Hersteller nicht freier agieren können
Viele Fahrer fordern flexiblere Einstellungen – etwa eine optionale Unterstützung bis 30 km/h auf Privatgelände. Doch die Hersteller fürchten:
-
Haftung bei Unfällen
-
rechtliche Konsequenzen bei Tuning-Fällen
-
Verlust der Zulassung für ihre Motorplattformen
Deshalb setzen fast alle großen Marken auf geschlossene Systeme – was den Schwarzmarkt für Tuninglösungen wiederum anheizt.
Marktstrategie oder Sicherheitsmaßnahme?
Kritiker werfen den Herstellern vor, sich hinter Gesetzen zu verstecken, obwohl die Technik mehr kann. Sie sehen in den Begrenzungen auch eine Marktstrategie:
-
Nutzer, die mehr Leistung wollen, sollen zu teureren S-Pedelecs greifen
-
ein „Upgrade“ auf neue Modelle wird attraktiver, wenn Software nicht nachträglich anpassbar ist
-
kontrollierte Ökosysteme schaffen zusätzliche Einnahmequellen (z. B. kostenpflichtige Freischaltungen)
Andererseits argumentieren die Hersteller mit Sicherheitsaspekten:
-
höhere Geschwindigkeiten bedeuten höhere Unfallrisiken
-
Bremsen und Rahmen vieler E-Bikes sind nicht für 45 km/h ausgelegt
-
die Akzeptanz von E-Bikes im Straßenverkehr hängt auch von ihrer Integration ab
Fahrer zwischen Frust und Verantwortung
Für viele Alltagsfahrer ist die Drosselung bei 25 km/h schlicht unlogisch – vor allem wenn man ohnehin oft mit Tretkraft schneller unterwegs wäre. Das abrupte Ende der Unterstützung wird als unnatürlich und störend empfunden, besonders an Steigungen oder bei Gegenwind.
Aber: Wer sich für illegales Tuning entscheidet, trägt ein hohes Risiko:
-
bei Unfällen kann es zu Haftungsproblemen kommen
-
Versicherungen verweigern Zahlungen
-
es drohen Bußgelder, Punkte oder sogar Strafverfahren
Ein Mittelweg – etwa über eine gesetzliche Erhöhung auf 30 km/h oder variable Unterstützungsprofile – wird derzeit in Fachkreisen diskutiert, lässt aber noch auf sich warten.
Fazit: Mehr Power wäre möglich – aber nicht erlaubt
Das Tuning-Dilemma zeigt: E-Bikes könnten technisch mehr – doch rechtlich dürfen sie nicht. Die künstliche Begrenzung auf 25 km/h ist weniger eine technische Notwendigkeit als ein juristischer und politischer Kompromiss.
Wer sich mehr Leistung wünscht, muss entweder auf S-Pedelecs ausweichen – mit all ihren Nachteilen – oder akzeptieren, dass Sicherheit, Versicherung und Integration in den Straßenverkehr Vorrang vor maximaler Motorleistung haben.
Die Diskussion um flexiblere Regelungen, höhere Limits und smartere Lösungen wird weitergehen – doch bis dahin bleibt vielen Fahrern nur eines: selbst mehr zu treten.