E-Bike-Welten im Vergleich: So fahren Niederlande, USA, Schweiz & China elektrisch
E-Bikes im internationalen Vergleich: Wie Niederlande, Schweiz, Frankreich, USA & China fahren – mit Fokus auf Infrastruktur, Regeln & Kultur.

Elektromobilität ist global – aber nicht überall gleich
Das E-Bike hat den europäischen und internationalen Fahrradmarkt revolutioniert. In Deutschland gehört es längst zum Straßenbild – doch wie sieht es jenseits der Landesgrenzen aus? Welche Rolle spielt das E-Bike in den Niederlanden? Wie fahren Franzosen, Chinesen oder Amerikaner elektrisch? Welche Unterschiede gibt es bei Infrastruktur, Technik, Preisen, Gesetzen und Kultur?
Dieser Beitrag nimmt fünf Länder unter die Lupe, die auf ganz eigene Weise mit dem Thema E-Bike umgehen. Ein Vergleich, der zeigt: Elektromobilität ist nicht nur Technik – sie ist auch ein Spiegel gesellschaftlicher Mobilität.
Niederlande – Pedelec-Paradies mit perfekter Infrastruktur
Die Niederlande gelten als europäisches Musterland für Fahrradkultur – und auch beim E-Bike sind sie führend. Bereits 2023 stammten über 50 % aller verkauften Fahrräder im Land aus dem E-Bike-Segment. Fast jede Altersgruppe nutzt elektrische Unterstützung, sei es für den Weg zur Arbeit, für den Einkauf oder in der Freizeit.
Der Erfolg hat mehrere Gründe:
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Nahezu flächendeckende Radwege – meist baulich getrennt und beleuchtet
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Fahrradparkhäuser mit Ladeinfrastruktur in Städten wie Utrecht, Amsterdam und Rotterdam
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Starke Förderung durch Arbeitgeber-Leasingmodelle („fiets van de zaak“)
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Keine Helmpflicht für Pedelecs (bis 25 km/h), aber hohe Akzeptanz für Sicherheitsausrüstung
Besonders beliebt sind in den Niederlanden E-Cargo-Bikes für Familien. Viele Hersteller wie VanMoof, Gazelle oder Urban Arrow stammen aus dem Land selbst und setzen Maßstäbe bei Design und Technik.
Frankreich – Vom Nachzügler zum Innovationsmotor
Frankreich hat das E-Bike erst später entdeckt, holt aber rasant auf. Unterstützt durch staatliche Kaufprämien (bis zu 400 € je Rad) und urbane Verkehrskonzepte in Städten wie Paris oder Lyon wächst der Markt deutlich. 2024 wurden rund 800.000 E-Bikes verkauft – Tendenz steigend.
Wichtige Entwicklungen:
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Ausbau urbaner Radinfrastruktur im Rahmen der „Plan Vélo“-Strategie
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Förderung von S-Pedelecs für Pendler im suburbanen Raum
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E-Bike-Sharing-Angebote in Großstädten (z. B. Vélib’ Électrique in Paris)
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Hohe Preissensibilität bei Verbrauchern – günstige Einstiegsmodelle sehr gefragt
In Frankreich existiert keine generelle Helmpflicht für Erwachsene, jedoch empfehlen Verkehrsbehörden wie „Sécurité Routière“ dringend das Tragen bei E-Bikes. Die Zulassung von S-Pedelecs ist an Versicherungs- und Führerscheinpflicht geknüpft.
Schweiz – Qualität, Tempo und Alpen-tauglichkeit
Die Schweiz ist ein Sonderfall: Das Land kombiniert höchste Ansprüche an Technik und Sicherheit mit einer ausgeprägten Alltagsnutzung in städtischen wie ländlichen Regionen. Besonders auffällig ist die hohe Verbreitung von S-Pedelecs (bis 45 km/h), die auch auf Landstraßen genutzt werden dürfen – ein Unterschied zu vielen EU-Ländern.
Weitere Besonderheiten:
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Pflichtversicherung (Nummernschild) für schnelle E-Bikes
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Helmpflicht für S-Pedelecs, aber nicht für klassische Pedelecs
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Gut ausgebaute Schnellradverbindungen zwischen Städten (z. B. Zürich–Winterthur)
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Intensive Diskussionen über Geschwindigkeit auf Radwegen
Zudem punktet die Schweiz mit einer Vielzahl an E-Bike-freundlichen Alpenrouten, unterstützt durch Ladestationen in touristischen Regionen. Hersteller wie Flyer oder Stromer setzen auf hochwertige Komponenten und entwickeln viele Modelle direkt für steiles Gelände.
USA – Zwischen Boom und Chaos
In den USA erlebt das E-Bike seit 2020 einen regelrechten Boom – getrieben durch Urbanisierung, Nachhaltigkeitstrends und das Bedürfnis nach Alternativen zum Auto. Besonders in Metropolen wie New York, Los Angeles oder San Francisco wächst die Zahl der E-Bike-Nutzer rasant.
Herausforderungen und Entwicklungen:
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Mangelhafte Radinfrastruktur in vielen Städten
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Unterschiedliche gesetzliche Regelungen je Bundesstaat (z. B. Tempolimits, Helmregeln)
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Beliebtheit von E-Mountainbikes und E-Cruisern für Freizeitnutzung
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Starkes Wachstum im Lieferdienst-Sektor (z. B. Uber Eats, Doordash)
Die USA klassifizieren E-Bikes in drei Klassen (Class 1 bis Class 3), was Auswirkungen auf Nutzung, Geschwindigkeit und Ausrüstung hat. Das sorgt für Rechtssicherheit – aber auch für Verwirrung bei Einsteigern.
Marken wie Rad Power Bikes, Juiced oder Aventon prägen den Markt, oft mit Direktvertriebsmodellen und hoher technischer Ausstattung zu vergleichsweise günstigen Preisen.
China – Weltmarktführer mit eigenen Regeln
China ist mit Abstand der größte Markt für elektrische Zweiräder – allerdings zählen hier auch E-Scooter und Mopeds ohne Tretunterstützung dazu. Das klassische E-Bike im europäischen Sinn spielt in urbanen Zentren wie Shanghai, Peking oder Shenzhen dennoch eine große Rolle – insbesondere als Ersatz für Mofas oder Taxis.
Besondere Rahmenbedingungen:
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Keine Helmpflicht für E-Bikes unter 25 km/h (regional unterschiedlich)
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Extrem günstige Modelle (teilweise unter 200 €)
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Lademöglichkeiten an jeder Ecke – häufig mit Schnellladestationen
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Viele Nutzer laden ihre Akkus über Nacht in Wohnhäusern (Brandrisiken!)
Ein Großteil der weltweiten E-Bike-Komponentenproduktion stammt aus China – insbesondere Akkus, Motoren (z. B. Bafang), Displays und Steuerungen. Die Qualitätsstandards variieren stark, weshalb viele europäische Marken auf gezielte Zulieferung und Endkontrolle setzen.
Kulturelle Unterschiede im Umgang mit dem E-Bike
Neben Technik und Gesetzgebung spielen kulturelle Faktoren eine große Rolle. In Deutschland wird das E-Bike oft als sportliches Alltagsfahrzeug verstanden – mit Fokus auf Leistung und Reichweite. In den Niederlanden steht Funktionalität und Familienmobilität im Vordergrund. In den USA dominiert das Freizeitnarrativ, in China der pragmatische Mobilitätsgedanke.
Auch das Sicherheitsverhalten ist kulturell geprägt:
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In Skandinavien ist der Helm Standard – selbst bei niedrigem Tempo
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In Südeuropa wird er häufig ignoriert
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In Asien gelten viele Elektrozweiräder als Wegwerfprodukt – Wartung wird selten betrieben
Fazit: Fünf Länder, fünf Wege – aber ein elektrischer Trend
Das E-Bike ist weltweit auf dem Vormarsch – aber es gibt keinen einheitlichen Weg. Infrastruktur, Politik, Technik, Marktstruktur und Mentalität prägen das Nutzungserlebnis entscheidend. Wer internationale Vergleiche zieht, versteht nicht nur die Technik – sondern auch, warum Mobilität immer auch Gesellschaft ist.
Für Reisende oder Auswanderer lohnt es sich, die lokalen Regeln genau zu prüfen. Denn das, was in Deutschland als Standard gilt, kann anderswo ein Verstoß sein – oder bereits weit überholt.