Made in Germany? Wo E-Bikes wirklich gebaut werden
Wo werden E-Bikes wirklich gebaut? Dieser Beitrag zeigt, welche Marken in Deutschland fertigen – und was das für Preis, Qualität und Nachhaltigkeit bedeutet.

Qualitätssiegel oder Marketingfloskel?
„Made in Germany“ – dieses Label genießt weltweit einen exzellenten Ruf. Es steht für Ingenieurskunst, Langlebigkeit und präzise Fertigung. Auch bei E-Bikes greifen viele Kunden bewusst zu Marken, die sich mit deutscher Herkunft schmücken. Doch wie viel Deutschland steckt wirklich drin, wenn „Germany“ draufsteht?
Dieser Beitrag blickt hinter die Fassade der Werbeslogans. Welche Marken produzieren tatsächlich in Deutschland? Welche montieren lediglich zugekaufte Komponenten? Und welche Unterschiede ergeben sich daraus für Preis, Qualität und Nachhaltigkeit? Eine kritische Analyse für alle, die bei ihrer Kaufentscheidung genauer hinschauen wollen.
Herkunftsschwindel oder legitimes Label? Die rechtliche Lage
Rechtlich ist der Begriff „Made in Germany“ nicht eindeutig geschützt. Es genügt bereits, wenn „eine wesentliche Fertigungsstufe“ in Deutschland stattfindet. Das kann die Endmontage sein – selbst wenn alle Hauptkomponenten wie Motor, Akku und Rahmen im Ausland gefertigt wurden.
Hersteller nutzen diese Grauzone gezielt: Ein aus China stammender Rahmen, ein Shimano-Motor aus Japan und ein Akku aus Polen – zusammengebaut in Deutschland – darf als „Made in Germany“ deklariert werden. Für Konsumenten ist diese Praxis kaum nachvollziehbar.
Hersteller, die tatsächlich in Deutschland produzieren
Einige Hersteller setzen bewusst auf inländische Fertigung – aus Gründen der Qualität, der Lieferkettensicherheit oder der Markenstrategie. Dazu zählen:
Riese & Müller: Der Premiumhersteller aus Weiterstadt produziert nahezu vollständig in Deutschland. Auch Entwicklungs- und Testprozesse finden im eigenen Werk statt. Die Fertigung erfolgt auf Bestellung – mit Fokus auf Individualisierung und Qualität.
Rotwild: Der hessische Spezialist für sportliche High-End-E-Bikes produziert und entwickelt in Dieburg. Rahmen werden teilweise in Europa gefertigt, die Montage erfolgt ausschließlich in Deutschland.
HP Velotechnik: Spezialisiert auf Liegeräder und Reha-Mobilität. Fertigung und Entwicklung erfolgen komplett in Deutschland. Bekannt für hohe technische Standards und Langlebigkeit.
Hercules (ZEG-Gruppe): Einige Modelle werden in Köln gefertigt, insbesondere im Premiumsegment. Andere Serien entstehen in Osteuropa oder Asien.
Hersteller mit Montage in Deutschland, aber ausländischer Komponentenfertigung
Cube: Die Marke aus Bayern montiert viele E-Bikes in Waldershof. Rahmen kommen jedoch oft aus Fernost. Motoren stammen meist von Bosch oder Shimano.
Haibike / Winora: Teil der Accell Group. Montage erfolgt teils in Schweinfurt, viele Rahmen und Teile kommen aus Fernost. Fokus liegt auf Serienfertigung mit hochwertiger Endkontrolle.
Prophete: Sitz in Rheda-Wiedenbrück, Montage teilweise in Deutschland. Preisgünstige Modelle werden jedoch häufig vollständig importiert. Einige Modelle laufen über einen „CKD“-Montageprozess (Completely Knocked Down).
M1-Sporttechnik: Produziert High-End-E-Bikes mit Carbonrahmen. Fertigung der Rahmen erfolgt teilweise in Europa, Endmontage in Bayern. Fokus liegt auf Technik und Individualisierung.
Hersteller mit kompletter Auslandsproduktion
Decathlon (u.a. Riverside, Rockrider): Entwicklung in Frankreich, Fertigung überwiegend in Asien und Osteuropa. Einige Modelle werden in Portugal zusammengebaut. Keine Fertigung in Deutschland.
Telefunken, Fischer, Zündapp (oft Discountermarken): Produktion nahezu vollständig in China. Montage, Versand und Service über deutsche Tochterfirmen.
Specialized, Trek, Giant: Weltweit tätig, keine Fertigung in Deutschland. Europäische Logistikzentren für Montage und Versand. Hauptfertigung oft in Taiwan, Vietnam oder China.
Was bedeutet der Produktionsstandort für Qualität und Haltbarkeit?
Grundsätzlich sagt der Standort allein noch nichts über Qualität aus. Viele asiatische Werke arbeiten hochpräzise und sind auf E-Bike-Produktion spezialisiert. Dennoch gibt es Unterschiede:
In deutschen Werken werden häufig engere Toleranzen eingehalten, Chargenprüfungen vorgenommen und Komponenten individuell abgestimmt. Die Qualitätskontrolle ist direkter, Änderungswünsche können schneller umgesetzt werden. Auch der Service bei Reklamationen ist inländisch oft reaktionsschneller.
Bei Importware besteht hingegen das Risiko von Lieferverzögerungen, schwankender Bauteilqualität und schwieriger Ersatzteilversorgung – insbesondere bei unbekannten Anbietern oder Eigenmarken großer Handelsketten.
Nachhaltigkeit und CO₂-Bilanz: Kurze Wege, weniger Fußabdruck
Ein weiterer Aspekt ist die Umweltbilanz. Wer in Deutschland oder Europa produziert, spart Transportemissionen. Rohstoffe und Bauteile müssen nicht um den halben Globus verschifft werden. Das reduziert den CO₂-Fußabdruck des fertigen Rads erheblich – ein Argument, das bei nachhaltigkeitsbewussten Käufern zunehmend Gewicht hat.
Darüber hinaus stärken europäische Fertigungen die lokale Wirtschaft, sichern Arbeitsplätze und reduzieren Abhängigkeiten von geopolitischen Risiken.
Preisunterschiede: Was kostet „Made in Germany“?
In der Regel ist ein E-Bike, das vollständig oder teilweise in Deutschland gefertigt wurde, 10 % bis 30 % teurer als vergleichbare Importware. Diese Mehrkosten ergeben sich aus höheren Löhnen, strengeren Umweltauflagen, lokalen Qualitätsstandards und Investitionen in individuelle Konfiguration.
Dafür erhalten Kunden oft langlebigere Produkte mit besserem Service und höherem Werterhalt. Bei Leasing, Förderung oder Langzeitnutzung relativieren sich die Mehrkosten zusätzlich.
Transparenz der Hersteller: Wer kommuniziert ehrlich?
Viele Marken kommunizieren ihre Fertigung nicht offen – oder werben bewusst mit „German Design“ statt „German Manufacturing“. Wer Klarheit will, sollte gezielt nachfragen oder in unabhängige Testberichte und Herstellerinterviews schauen.
Positiv auffallende Beispiele in Sachen Transparenz:
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Riese & Müller mit detaillierten Produktionsvideos
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HP Velotechnik mit öffentlich einsehbarer Fertigungsstraße
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M1-Sporttechnik mit direktem Kontakt zu Technikern bei Kundenfragen
Fazit: Made in Germany ist möglich – aber nicht selbstverständlich
Ein E-Bike mit deutschem Label ist nicht automatisch komplett in Deutschland gefertigt. Viele Modelle werden hier lediglich montiert oder versendet. Wer echten Wert auf regionale Produktion legt, muss genau hinsehen – oder bereit sein, einen entsprechenden Preis zu zahlen.
Qualitätsbewusste Käufer finden im deutschen Markt jedoch einige verlässliche Marken, die tatsächlich „Made in Germany“ leben – mit handwerklicher Präzision, technischer Exzellenz und einem nachhaltigen Anspruch, der über Marketing hinausgeht.