Dürfen E-Bikes auf die Autobahn? Speed-Pedelecs und Schnellradwege im Vergleich

Dürfen Speed-Pedelecs auf die Autobahn? Unser Bericht klärt über Gesetze, Schnellradwege, Risiken & Alternativen in Deutschland, Schweiz & Niederlande auf.

Jun 28, 2025 - 12:36
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Dürfen E-Bikes auf die Autobahn? Speed-Pedelecs und Schnellradwege im Vergleich

Schnell, lautlos – aber auf die Autobahn?

Die Vorstellung, mit einem E-Bike auf der Autobahn zu fahren, wirkt im ersten Moment absurd. Und doch drängt sich die Frage auf, wenn man ein Speed-Pedelec mit bis zu 45 km/h bewegt und dabei regelmäßig von langsamen Pkw auf Landstraßen überholt wird. Ist es denkbar, dass solche Highspeed-E-Bikes künftig auch auf Schnellstraßen oder gar Autobahnen zugelassen werden?

In einer Zeit, in der nachhaltige Mobilität boomt, Infrastrukturen sich verändern und rechtliche Rahmen neu definiert werden, geraten auch konventionelle Grenzen ins Wanken. Länder wie die Niederlande oder die Schweiz haben bereits spezielle Regelungen für schnelle E-Bikes geschaffen – inklusive Schnellradwege, Kennzeichenpflicht und Teilzugang zu Hochgeschwindigkeitsrouten.

Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Grundlagen für E-Bikes und Speed-Pedelecs in Europa, erklärt, warum die Autobahn aktuell tabu ist – und zeigt Alternativen, Visionen und technische Voraussetzungen, unter denen sich das in Zukunft ändern könnte. Ein Blick auf urbane Schnellwege, Pilotprojekte und die rechtliche Grauzone zwischen Fahrrad, Moped und Motorrad.

Was ist ein Speed-Pedelec eigentlich?

Im deutschen Sprachgebrauch wird der Begriff E-Bike oft pauschal verwendet – doch es gibt klare Unterscheidungen:

Ein klassisches Pedelec unterstützt bis maximal 25 km/h und gilt rechtlich als Fahrrad. Kein Kennzeichen, keine Versicherungspflicht, kein Führerschein nötig.

Ein Speed-Pedelec hingegen ist ein „schnelles E-Bike“, das bis zu 45 km/h unterstützt. Dafür ist ein Versicherungskennzeichen notwendig, der Fahrer braucht mindestens die Mofa-Prüfbescheinigung (meist ein Führerschein Klasse AM), und das Rad darf nur auf der Straße gefahren werden – Radwege sind tabu.

Speed-Pedelecs gelten rechtlich als Kleinkrafträder. Und hier beginnt das Spannungsfeld: Sie sind zu langsam für die Autobahn – aber zu schnell für viele innerstädtische Situationen. Genau diese Lücke führt zu Unsicherheiten im Straßenverkehr, Frust bei Nutzern und der Frage: Wohin mit dem schnellen Bike?

Warum die Autobahn aktuell tabu ist

In Deutschland gilt laut § 18 StVO: Autobahnen dürfen nur von Kraftfahrzeugen genutzt werden, deren bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit über 60 km/h liegt. Speed-Pedelecs schaffen maximal 45 km/h – und fallen damit automatisch raus.

Auch wenn sie versicherungspflichtig sind und ein Kennzeichen tragen, reicht die Geschwindigkeit nicht aus. Die Regel dient dem Verkehrsfluss und der Verkehrssicherheit. Fahrzeuge, die zu langsam sind, gefährden den Ablauf auf Schnellstraßen – etwa durch plötzliches Bremsen anderer Verkehrsteilnehmer.

Ein weiteres Hindernis: Autobahnen sind auf motorisierte Fahrzeuge mit bestimmtem Mindestleistungsniveau ausgelegt. Schutzstreifen, Seitenräume, Notrufsysteme und Leitplanken berücksichtigen keine Zweiräder ohne Knautschzone oder Airbags.

Gibt es Ausnahmen oder Sonderfälle?

In Deutschland: nein. Es gibt aktuell keine Sonderregelungen, die E-Bikes oder Speed-Pedelecs die Nutzung von Autobahnen erlauben würden. Auch nicht auf Standspuren oder außerhalb der Hauptverkehrszeiten. Die einzige Möglichkeit, schneller als 45 km/h zu fahren, wäre ein klassisches Leichtkraftrad oder Motorrad.

In anderen Ländern sieht das teils anders aus. In der Schweiz dürfen schnelle E-Bikes unter bestimmten Voraussetzungen auf Landstraßen und Schnellverbindungen fahren – wenn Radwege fehlen. Die Niederlande setzen auf sogenannte „Snelfietsroutes“ – Schnellradwege, die zwischen Städten verlaufen und speziell für schnelle Fahrräder und Speed-Pedelecs gebaut wurden.

Beispiel: Die Route zwischen Arnheim und Nijmegen erlaubt konstant hohe Geschwindigkeiten für Pendler – ohne Auto, aber auch ohne ständiges Bremsen für Ampeln oder Kreuzungen.

Schnellradwege: Die logische Alternative zur Autobahn

Statt über die Autobahn nachzudenken, setzen viele Städte und Länder auf ein völlig neues Infrastrukturmodell: Schnellradwege oder Fahrrad-Highways. Diese sind breit, beleuchtet, kreuzungsarm und für hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten optimiert. Sie trennen Rad- und Autoverkehr und bieten eine sichere Umgebung – auch bei Dunkelheit oder hohem Verkehrsaufkommen.

Beispiele aus Europa:
– Deutschland: Radschnellweg Ruhr (RS1) mit 101 km Länge
– Niederlande: F35 rund um Enschede, mit Anbindung an Städte und Uni-Campus
– Schweiz: Veloroute Zürich-Baden mit Tempozonen für Speed-Pedelecs
– Dänemark: Copenhagen Cycle Superhighways mit beleuchteten Fahrradtrassen

Diese Wege sind nicht nur schneller, sondern auch sicherer. Kein Mischverkehr mit Autos, keine Parkplatzsuche, keine Staus – ideal für Berufspendler, die regelmäßig mehr als 10 km zurücklegen und dabei nicht auf ein normales Pedelec beschränkt sein wollen.

Rechtliche Grauzonen: Was passiert, wenn man es doch tut?

Es gibt immer wieder Berichte von Speed-Pedelec-Fahrern, die über Auffahrten oder Standspuren auf Schnellstraßen gelangt sind. Das ist nicht nur verboten – sondern kann empfindliche Bußgelder, Punkte in Flensburg und sogar den Verlust des Versicherungsschutzes nach sich ziehen.

Besonders kritisch: Kommt es zu einem Unfall auf einer Autobahn mit einem nicht zugelassenen Fahrzeug, kann die Haftpflichtversicherung die Zahlung verweigern. Auch private Unfallversicherungen prüfen in solchen Fällen, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt.

Im Ausland kann die Lage unübersichtlich sein. In Ländern ohne klare Differenzierung zwischen E-Bike und Moped hängt vieles vom Ermessen der örtlichen Polizei ab. Reisende sollten sich daher vor Touren mit Speed-Pedelecs über die nationalen Verkehrsregeln informieren.

Technische Voraussetzungen für Hochgeschwindigkeits-Bikes

Ein E-Bike mit über 45 km/h wäre theoretisch möglich – aber praktisch schwer genehmigungsfähig. Der Gesetzgeber fordert:
– ABS-System
– Spiegel
– Blinker
– Bremslicht
– Kennzeichen
– Mindestgeschwindigkeit über 60 km/h

Zudem müssten Motorleistung, Batteriekapazität und Rahmengeometrie massiv angepasst werden, um den Anforderungen des Schnellverkehrs standzuhalten. Das Resultat wäre eher ein E-Leichtkraftrad als ein E-Bike – mit entsprechender Führerscheinpflicht, Zulassung und Helmpflicht.

Mobilitätsvisionen: Wird es in Zukunft E-Bike-Spuren neben der Autobahn geben?

Die Diskussion über eine Neustrukturierung der Verkehrsflächen gewinnt an Fahrt. Städte wie Hamburg, Berlin oder Frankfurt planen Fahrrad-Highways als parallele Infrastruktur zur Stadtautobahn. Denkbar wären Schnellspuren für E-Bikes auf ehemaligen Straßenbahngleisen, stillgelegten Bahntrassen oder breiten Seitenstreifen.

Auch Autobahnbegleitwege könnten zu offiziellen Radschnellrouten umgebaut werden. Voraussetzung: rechtliche Freigabe, bauliche Sicherheit und klare Beschilderung. Solche Projekte sind politisch hochsensibel – aber technisch längst machbar.

Was braucht es, damit Speed-Pedelecs ihr Potenzial entfalten?

Die Lösung liegt nicht auf der Autobahn – sondern in der Parallelstruktur. Für die flächendeckende Nutzung schneller E-Bikes braucht es:
– klare und bundeseinheitliche Regeln für Speed-Pedelecs
– Ausbau von Schnellradwegen mit Überholspuren und Ampelvorrang
– legale Nutzung bestimmter Landstraßen bei fehlenden Radwegen
– Integration in multimodale Verkehrskonzepte (Bahn, Bus, Carsharing)
– steuerliche Förderung von S-Pedelecs im Pendelverkehr
– verpflichtende technische Standards für Licht, Bremse, GPS und ABS

Fazit: Autobahn bleibt Tabu – aber es gibt einen besseren Weg

Die Zukunft des schnellen E-Bike-Verkehrs liegt nicht auf der Autobahn, sondern auf eigenen, modernen Trassen, die den Bedürfnissen von Pedelec-Pendlern, Sportfahrern und Touristen gerecht werden. Während die Autobahn weiterhin den klassischen Kraftfahrzeugen vorbehalten bleibt, entstehen in ganz Europa alternative Hochgeschwindigkeitsrouten auf zwei Rädern.

Speed-Pedelecs haben das Potenzial, eine echte Lücke im Mobilitätsmix zu schließen – zwischen Fahrrad, Roller und Auto. Doch dafür braucht es eine Infrastruktur, die Geschwindigkeit, Sicherheit und Alltagstauglichkeit vereint. Die Autobahn ist dafür weder gemacht noch geeignet. Aber das, was neben ihr gebaut werden kann, ist die wahre Zukunft.