Sicher E-Bike fahren: Sichtbarkeit, Bremsweg und typische Unfallgefahren 2025
Wie sichtbar sind E-Bike-Fahrer wirklich? Unser Sicherheitsbericht 2025 zeigt Risiken bei Licht, Bremsweg, Reaktionszeit und gibt Tipps für mehr Präsenz im Verkehr.

Schnell, leise, übersehen – das unterschätzte Risiko von E-Bikes
E-Bikes haben das Stadtbild verändert. Sie sind schneller als klassische Fahrräder, leiser als Motorroller und agiler als viele Autos im Berufsverkehr. Doch genau diese Eigenschaften bergen eine unterschätzte Gefahr: Die Sichtbarkeit von E-Bike-Fahrerinnen und -Fahrern im Straßenverkehr ist ein zentrales Sicherheitsproblem.
Immer mehr Studien belegen, dass E-Biker in kritischen Situationen häufiger übersehen werden als Radfahrer ohne Motor. Besonders in der Dämmerung, beim Spurwechsel oder an unübersichtlichen Kreuzungen kommt es zu brenzligen Momenten – mit teilweise schweren Folgen. Hinzu kommen längere Bremswege, reduzierte Reaktionszeiten bei höheren Geschwindigkeiten und teilweise unzureichende Lichtsysteme.
In diesem Beitrag nehmen wir die Sichtbarkeit von E-Bike-Fahrern im städtischen Verkehr unter die Lupe. Wir analysieren typische Unfallsituationen, beleuchten technische Unterschiede zwischen E-Bikes und normalen Fahrrädern und geben konkrete Tipps, wie die eigene Sicherheit durch bessere Ausrüstung, Verhalten und Planung deutlich gesteigert werden kann.
E-Bikes im Stadtverkehr – das neue Verkehrselement
Der Anteil von E-Bikes im urbanen Raum hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. In vielen deutschen Städten liegt der Marktanteil bei über 40 Prozent – Tendenz steigend. Besonders auffällig ist der Zuwachs im Pendlersegment: Immer mehr Berufstätige nutzen das E-Bike für Strecken zwischen fünf und 15 Kilometern.
Doch E-Bikes fahren nicht nur mehr, sie fahren auch anders. Mit Geschwindigkeiten bis zu 25 km/h – teilweise auch darüber, etwa bei leichtem Gefälle oder bei sportlicher Fahrweise – bewegen sich viele E-Bike-Fahrer in einem Tempo, das andere Verkehrsteilnehmer nicht mehr automatisch mit einem Fahrrad assoziieren. Die Folge: Fehleinschätzungen, abrupte Bremsmanöver und Konflikte im Mischverkehr.
Unfallanalysen: Übersehen, geschnitten, angefahren
Eine Auswertung der Unfallstatistik des Statistischen Bundesamtes zeigt: Im Jahr 2024 waren in Deutschland rund 27 Prozent aller schweren Fahrradunfälle auf E-Bikes zurückzuführen – bei einem E-Bike-Anteil von rund 20 Prozent. Besonders häufig betroffen: Kreuzungen, Einmündungen, Radweg-Ausfahrten und Parkplatzausfahrten.
In 63 Prozent der Fälle war das Auto der Hauptverursacher. Auffällig ist jedoch: In mehr als jedem dritten Fall wurde das E-Bike nachweislich „nicht oder zu spät wahrgenommen“. Damit ist die mangelnde Sichtbarkeit ein klar belegter Risikofaktor. Besonders gefährlich sind Dämmerung, schlechte Wetterbedingungen und schlecht beleuchtete Stadtteile.
Typische Unfallmuster:
– Pkw biegt nach rechts ab, ohne den E-Bike-Fahrer auf dem Radweg zu sehen
– Autofahrer fährt vom Parkplatz rückwärts auf die Straße und kollidiert mit dem E-Bike
– E-Bike überholt von rechts stehende Autos und wird beim Türöffnen erfasst
– Fußgänger überquert die Straße und unterschätzt die Geschwindigkeit des E-Bikes
Bremswege und Reaktionszeiten: Die unterschätzte Physik
Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen E-Bike und normalem Fahrrad ist die Geschwindigkeit. Während ein durchschnittlicher Radfahrer im Stadtverkehr etwa 15–18 km/h fährt, liegt der Schnitt bei E-Bikes bei über 23 km/h – in der Spitze weit darüber.
Der Bremsweg verlängert sich dabei überproportional. Bei 25 km/h beträgt der reine Bremsweg auf trockener Fahrbahn rund 6,5 Meter. Kommt die Reaktionszeit hinzu, wächst der gesamte Anhalteweg schnell auf 12 bis 14 Meter – deutlich mehr als viele Autofahrer erwarten, wenn sie einem „Fahrrad“ begegnen.
Bei nasser Straße, Laub oder Kopfsteinpflaster verlängert sich dieser Wert nochmals. Und da E-Bikes schwerer sind als herkömmliche Räder – oft zwischen 23 und 28 Kilogramm – wirken im Notfall größere Kräfte, die ein präzises Bremsen erschweren.
Lichttechnik: Warum Sehen nicht gleich Gesehenwerden ist
Viele E-Bikes verfügen ab Werk über fest verbaute Lichtsysteme. Das ist ein großer Fortschritt gegenüber normalen Fahrrädern, bei denen Batterielampen oder Dynamo-Leuchten häufig unzureichend sind. Doch nicht alle Systeme sind gleich gut – und nicht alle sind optimal auf Sichtbarkeit ausgelegt.
Frontleuchten mit StVZO-Zulassung werfen das Licht gezielt auf die Fahrbahn. Doch sie helfen wenig, wenn es um das Gesehenwerden von der Seite geht. Hier spielen Reflektoren, Rückstrahler und Positionslichter eine zentrale Rolle. Gerade im seitlichen Verkehr – etwa an Einmündungen – entscheiden gut sichtbare Pedalreflektoren oder Speichenstrahler über die frühzeitige Wahrnehmung.
Noch besser sind aktive Systeme wie LED-Streifen an den Speichen, reflektierende Reifenflanken oder zusätzlich montierte Helmlampen. Auch Kleidung mit Reflexmaterial erhöht die Sichtbarkeit deutlich – besonders in Bewegung.
Tagfahrlicht und Bremslicht: Warum sie Standard werden sollten
Ein Trend aus dem Automobilbereich hält nun auch bei hochwertigen E-Bikes Einzug: Tagfahrlicht und Bremslicht. Hersteller wie Riese & Müller, Haibike oder Specialized bieten Modelle mit integrierter Rücklichtbremse an, die beim Verzögern heller leuchtet. Auch Frontscheinwerfer mit Tagfahrautomatik sind auf dem Vormarsch.
Diese Systeme helfen vor allem in Dämmerung und Tunnelabschnitten. Studien zeigen, dass Tagfahrlicht die Wahrnehmung im Stadtverkehr um bis zu 40 Prozent erhöht. Noch ist diese Technik kein Pflichtbestandteil – aber viele Experten fordern eine Standardisierung im Premiumsegment.
Farbwahl und Kleidung: Signalwirkung unterschätzt
Die Wahl der Fahrradkleidung beeinflusst maßgeblich, wie schnell man im Verkehr gesehen wird. Helle Farben wie Gelb, Weiß oder Orange erzeugen einen stärkeren Kontrast zum Umfeld – besonders in urbanen, oft grauen Umgebungen. Dunkle Kleidung dagegen verschmilzt bei schlechten Lichtverhältnissen mit dem Hintergrund.
Zunehmend verbreiten sich reflektierende Jacken, Westen oder Überziehkleidung. Auch Helme mit integrierten LED-Leuchten, Rücklichter mit Blinkerfunktion oder Satteltaschen mit aktiven Lichtfeldern tragen zur besseren Sichtbarkeit bei.
Moderne Funktionskleidung muss dabei nicht mehr klobig oder auffällig sein. Viele Hersteller bieten dezente, alltagstaugliche Designs mit eingenähten Reflexstreifen, fluoreszierenden Elementen und intelligenten Belüftungssystemen an – ideal für Pendler, die sich nicht zwischen Sicherheit und Stil entscheiden wollen.
Verhalten im Verkehr: Aktiv sichtbar statt passiv unsichtbar
Sichtbarkeit ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch des Verhaltens. E-Bike-Fahrer, die vorausschauend fahren, Blickkontakt suchen und bewusst ihre Position auf der Straße wählen, werden deutlich seltener übersehen.
Besonders im Mischverkehr empfiehlt es sich, sich nicht zu weit rechts zu halten – insbesondere in engen Straßen mit parkenden Autos. Die Gefahr des „Dooring“, also des plötzlichen Türöffnens, ist hoch. Ein Sicherheitsabstand von einem Meter ist hier Mindestmaß.
Auch das Fahren mit Licht am Tag, das deutliche Anzeigen von Richtungswechseln und das Halten an gut sichtbaren Stellen an der Ampel trägt zur Sicherheit bei. Viele Unfälle geschehen schlicht, weil E-Bike-Fahrer sich wie Radfahrer verhalten, aber im Tempo und in der Position eher dem motorisierten Verkehr zuzurechnen wären.
Sonderfall S-Pedelec: Schnell, aber kaum sichtbar
Speed-Pedelecs bis 45 km/h sind noch stärker vom Sichtbarkeitsproblem betroffen. Sie fahren oft schneller als der städtische Verkehrsfluss, sehen aber aus wie normale Fahrräder. Viele Autofahrer sind auf diese Dynamik nicht vorbereitet.
In Deutschland müssen S-Pedelecs auf der Straße fahren, dürfen Radwege nicht benutzen und benötigen ein Versicherungskennzeichen sowie Helm. Dennoch werden sie in vielen Städten wie Fahrräder wahrgenommen – und dadurch oft unterschätzt.
Die Kombination aus hoher Geschwindigkeit, geringer Silhouette und fehlender Geräuschentwicklung macht S-Pedelecs besonders anfällig für Sichtbarkeitsprobleme. Hier sind Tagfahrlicht, Blinker, reflektierende Kleidung und selbstleuchtende Elemente noch wichtiger als bei normalen Pedelecs.
Fazit: Sichtbarkeit ist kein Zufall – sondern Verantwortung
E-Bike-Fahrerinnen und -Fahrer bewegen sich in einem Geschwindigkeitsbereich, der volle Aufmerksamkeit verlangt – von ihnen selbst und von anderen. Umso wichtiger ist es, durch clevere Ausstattung, vorausschauendes Verhalten und bewusste Sichtbarkeit aktiv zur eigenen Sicherheit beizutragen.
Ein hochwertiges Lichtsystem, reflektierende Kleidung, zusätzliche Bremslichter und das Fahren mit Licht am Tag können das Risiko erheblich senken. Ebenso wichtig ist eine realistische Selbsteinschätzung: Wer schneller fährt, muss sich sichtbar wie ein Verkehrsteilnehmer auf Augenhöhe verhalten – nicht wie ein stiller Radler am Straßenrand.
Die Technik bietet heute viele Möglichkeiten, die eigene Präsenz im Straßenverkehr zu erhöhen. Nutzen wir sie. Denn gesehen zu werden, ist beim E-Bike keine Option – es ist überlebenswichtig.