Chinesische E-Bike-Motoren im Vergleich: Was taugen Bafang, Tongsheng & Co.?

Was leisten E-Bike-Antriebe aus China? Unser Vergleich zeigt: Bafang & Tongsheng vs. Bosch & Shimano – in Preis, Technik, Ersatzteilen und rechtlicher Sicherheit.

Jun 30, 2025 - 12:34
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Chinesische E-Bike-Motoren im Vergleich: Was taugen Bafang, Tongsheng & Co.?

Preisbrecher oder Problemkandidaten? Der große Antriebsvergleich

E-Bikes boomen – und mit ihnen die Nachfrage nach leistungsstarken, zuverlässigen und möglichst günstigen Antriebssystemen. Während sich Marken wie Bosch, Shimano, Brose oder Yamaha in Europa als Qualitätsmaßstab etabliert haben, drängen zunehmend Hersteller aus China auf den Markt. Namen wie Bafang, Tongsheng, Truckrun oder MXUS sind längst keine Exoten mehr – sie finden sich in zahlreichen Discounter-Bikes, DIY-Kits und sogar bei Direktversendern aus Europa.

Doch wie gut sind diese Antriebe wirklich? Können sie technisch mit Bosch & Co. mithalten? Wie sieht es mit Leistung, Software, Wartung und Ersatzteilverfügbarkeit aus? Und für wen lohnt sich der Griff zum chinesischen System?

In diesem Artikel vergleichen wir die bekanntesten chinesischen Hersteller mit den etablierten Markenantrieben – auf Basis von Leistungsdaten, Praxiserfahrungen, Händlerberichten und Kundenfeedback. Das Ziel: eine fundierte Entscheidungshilfe für alle, die zwischen günstig und bewährt abwägen wollen.

Marktübersicht: Die wichtigsten Anbieter im Überblick

Bosch
– Sitz: Deutschland
– Marktführer in Europa
– Antriebe: Performance Line, CX, Active Line, Cargo Line
– Komplettsystem mit Akku, Motor, Display, Software
– Hohe Qualität, sehr gute Werkstattverfügbarkeit

Shimano
– Sitz: Japan
– Antriebe: Steps E5000, E6100, EP8
– Bekannt für sanfte Unterstützung und Integration ins Schaltsystem
– Etwas wartungsintensiver, aber sehr robust

Brose
– Sitz: Deutschland
– Spezialist für leise, direkte Antriebe mit Riemenantrieb
– Antriebe: Drive S Mag, T, TF
– Im High-End-Segment beliebt, z. B. bei Specialized

Bafang
– Sitz: China
– Einer der größten Motorenhersteller der Welt
– Antriebe: M-Serie (M400, M420, M500, M600, M620), H-Serie (Nabenmotoren)
– Auch als Nachrüstkit erhältlich

Tongsheng
– Sitz: China
– Bekannt für den TSDZ2 Mittelmotor
– Günstige DIY-Alternative mit Drehmomentsteuerung
– Kompatibel mit vielen Rahmen

Technikvergleich: Motorleistung, Drehmoment, Unterstützung

Hersteller Typ Leistung Drehmoment Unterstützungsgrad Gewicht
Bosch CX Gen4 Mittelmotor 250 W 85 Nm bis 340 % ca. 2,9 kg
Shimano EP8 Mittelmotor 250 W 85 Nm bis 400 % ca. 2,6 kg
Brose Drive S Mittelmotor 250 W 90 Nm bis 380 % ca. 2,8 kg
Bafang M620 Mittelmotor 750 W 160 Nm bis 600 % ca. 5,3 kg
Bafang M400 Mittelmotor 250 W 80 Nm bis 300 % ca. 3,8 kg
Tongsheng TSDZ2 Mittelmotor 250 W 80 Nm bis 300 % ca. 3,6 kg

Auffällig: Chinesische Systeme wie der Bafang M620 bieten extreme Leistungswerte, die über EU-Vorgaben für Pedelecs hinausgehen. Diese Motoren sind oft nicht legal auf deutschen Straßen nutzbar – außer bei S-Pedelecs oder Offroad-Nutzung.

Unterstützungsverhalten: Sensorik & Fahrgefühl

Während Bosch, Shimano und Brose auf fein abgestimmte Sensorik setzen (Trittfrequenz, Drehmoment, Geschwindigkeit), sind chinesische Systeme oft grober abgestimmt. Besonders der TSDZ2 von Tongsheng bietet ein erstaunlich natürliches Fahrgefühl, weil er auf Drehmoment statt Trittfrequenz setzt – allerdings kann er bei schneller Fahrt und hoher Trittfrequenz ins Stocken geraten.

Bafang-Motoren gelten als kraftvoll, aber etwas ruppig. Der M620 etwa ist eher ein Mini-Motorrad als ein Pedelec-Antrieb. Für Lastenräder und steile Trails ideal – im Stadtverkehr aber oft überdimensioniert.

Software und Steuerung: Closed vs. Open Systems

Ein klarer Vorteil westlicher Hersteller ist die Softwareintegration. Bosch & Shimano bieten:

– Over-the-Air Updates
– App-Anbindung (eBike Flow, E-Tube)
– Fehlerdiagnose per Bluetooth
– Werkstattintegration

Bei Bafang & Co. hingegen ist die Software oft rudimentär. Updates sind meist nur per PC und spezieller Software möglich, die inoffiziell vertrieben wird. Die Bafang-Konfiguration über die USB-Schnittstelle ist zwar flexibel – aber auch fehleranfällig.

Tongsheng erlaubt sogar Open-Source-Firmware (OSF) – ein Segen für Bastler, aber ein Albtraum für Support und Garantie.

Ersatzteile, Wartung, Reparatur

Bosch und Shimano bieten europaweites Ersatzteilnetz, zertifizierte Werkstätten und lange Ersatzteilverfügbarkeit – oft 7 bis 10 Jahre.

Chinesische Antriebe haben hier deutliche Nachteile:

– Ersatzteile müssen oft direkt aus China bestellt werden
– Lieferzeiten von 10–30 Tagen sind keine Seltenheit
– Keine Garantie bei Selbstimporten
– Wenige europäische Händler führen Ersatzteile auf Lager
– Softwarefehler sind schwer zu diagnostizieren

Wer technisch versiert ist, kann viele Probleme selbst lösen – doch für Einsteiger ist der Support oft frustrierend.

Preis-Leistung: Was spart man wirklich?

Ein Komplettsystem mit Bosch-Motor, 500 Wh Akku und Intuvia-Display kostet im OEM-Einkauf schnell über 1.000–1.500 €. Bafang- oder Tongsheng-Kits inklusive Akku sind für unter 600–900 € erhältlich – teils mit höherer Leistung und größerem Akku.

Doch der Preisvorteil hat Schattenseiten:
– Geringere Garantieabdeckung
– Keine Werkstattbindung
– Zulassungsprobleme (z. B. zu hohe Nennleistung)
– Eingeschränkte rechtliche Nutzung

Für DIY-Fans ist Bafang unschlagbar günstig – für Alltagsfahrer mit wenig Technikkenntnis hingegen riskant.

Straßenzulassung und Legalität

In der EU dürfen Pedelec-Motoren:
– max. 250 W Nennleistung haben
– bis 25 km/h unterstützen
– nur bei aktivem Pedalieren arbeiten

Viele chinesische Motoren (z. B. Bafang M620, H920) überschreiten diese Limits. Sie sind in Deutschland nicht zulassungsfrei nutzbar. Selbst wenn Händler sie als „Straßenzulassung EU“ bewerben – die Realität sieht oft anders aus.

Besonders bei Selbstimporten aus China fehlt häufig:
– Die EU-Konformitätserklärung (CE, EN15194)
– Die Herstellerbescheinigung zur Nennleistung
– Eine deutsche Anleitung mit sicherheitsrelevanten Hinweisen

Im Zweifelsfall kann ein Rad mit solchem Motor bei Verkehrskontrollen stillgelegt werden.

Erfahrungsberichte und Langzeittests

Bafang M400/M420: Beliebt bei günstigen City- und Trekkingrädern, solide Leistung, etwas schwer, gelegentlich Probleme mit Wassereintritt
Bafang M620: Power-Motor für Lastenräder oder Berge, aber laut, schwer und nicht legal
Tongsheng TSDZ2: Günstig, gutes Drehmomentgefühl, aber störanfällig bei Nässe, schwächere Lagerqualität
Bosch & Shimano: Technisch ausgereift, zuverlässig, aber teuer und weniger flexibel
Brose: Extrem leise, hoher Komfort, jedoch empfindlicher bei Stößen

Für wen lohnt sich welcher Antrieb?

Bafang / Tongsheng:
– Preisbewusste Käufer
– Bastler und Technikfans
– Selbstbauer und DIY-Community
– Private Nutzung abseits öffentlicher Straßen

Bosch / Shimano / Brose:
– Vielfahrer und Pendler
– Personen ohne Schraubererfahrung
– Nutzer mit hohem Servicebedarf
– Käufer mit Fokus auf Garantie, Updates und Rechtssicherheit

Fazit: Preis vs. Qualität – das muss man wissen

Chinesische E-Bike-Antriebe bieten beeindruckende Leistung zum kleinen Preis – vor allem für Bastler, Selbstbauer und Nutzer, die keine Werkstatt brauchen. Doch wer Wert auf Sicherheit, Service, langfristige Nutzbarkeit und volle Straßenzulassung legt, ist mit Bosch, Shimano oder Brose auf der sicheren Seite.

Der größte Unterschied liegt nicht in der Leistung – sondern in der Software, im Support und in der juristischen Absicherung. Wer günstig kauft, muss wissen, worauf er sich einlässt – und bereit sein, im Problemfall selbst die Lösung zu finden.